„Wenn Arbeitskollegen mit mir sprechen, kriege ich nur die ersten paar Sätze mit. Dann schaltet mein Gehirn in den Automatikmodus. Plötzlich dreht sich alles um 3D-Touch, superscharfe Retina-Displays und ‚one more thing‘“, so der 32-jährige Fahrzeugmechaniker. Ausstiegsversuche hat Nils B. schon zwei hinter sich. „Für einige Tage hatte ich den Absprung geschafft, dann lockte mich ein dringend benötigtes Update zurück an meine Geräte.“ Seine Ausstiegsversuche wurden von der Sekte hart bestraft. „Während ich ihr der Tech-Gemeinde den Rücken kehrte, war es mir nicht möglich, mit meinen Freunden zu kommunizieren. Ich war Mutterseelenallein.“
Horrende Mitgliederbeiträge im Halbjahresrhythmus
Für die Tech-Sekte, nennen wir sie an dieser Stelle „Depple“, hat Nils B. schon mehrere zehntausend Franken ausgegeben. „Immer wieder wurde mir versprochen, in Zukunft noch leichter, schärfer und besser kommunizieren zu können. Mir wurde vorgegaukelt, ich könnte ein schöneres Leben führen und neue Freunde treffen, doch schlussendlich war ‚Depple‘ nur hinter meinem Geld her.“ Alle sechs Monate habe er etwas Neues kaufen müssen. Bei einer Weigerung sei er von den anderen Kirchenmitgliedern verspottet worden. „Sie lachten höhnisch und meinten, ich sei technisch nicht auf dem neusten Stand.“
Vor zwei Tagen besuchte Nils B. „Depples“ Gottesdienst namens „Keynote“. „Da wurden mir viele tolle Erneuerungen versprochen, die ich kaum erwarten kann. Aber mir graut es schon jetzt vor der fällig werdenden Zahlung.“ Hinzu kämen jeweils lange Wartezeiten vor dem Konsumtempel von „Depple“. Ob er einen weiteren Ausstiegsversuch wagen wird, kann Nils B. momentan nicht sagen. „Ich würde es mir wünschen. Meine Freundin hat es geschafft. Sie hat ‚Depple‘ verlassen und sich der Religionsgemeinschaft ‚Scientology‘ angeschlossen.“ Die sei zwar nicht unbedingt preiswerter als „Depple“, aber zumindest soll der Ausstieg leichter sein.
Foto oben: Blake Peterson