Aufgedeckt: Gespendetes Altpapier geht gar nicht an bedürftige Analphabeten

26. November 2013 | Von | Kategorie: Schweiz

Zürich (den) – Die Schweiz ist Weltmeister im Altpapier spenden. Rund 160 Kilogramm stellen Herr und Frau Schweizer jährlich für karitative Zwecke auf die Strasse. Wer allerdings denkt, dass er mit seinen Bündeln notleidende Analphabeten unterstützt, der irrt. Recherchen des Enthüllers decken auf, dass ein Grossteil der gespendeten Schulbücher, Zeitungen und Illustrierten mutwillig in Streifen geschreddert und dann zu Toilettenpapier verarbeitet wird.

Auch wenn der Inhalt so anspruchsvoll ist, wie die Sendung Frauentausch auf RTLII: Ein Kind hätte mit diesen gespendeten Ausgaben von Astro-Woche  das Lesen erlernen können.

Selbst vor Qualitätsware wie der „Astrowoche“ oder alten Weltbild-Katalogen macht der Schredder keinen Halt.

Lorenz Gordi Barzockel, Pressesprecher vom Verband Dyslexie Schweiz, ist schockiert: «Dass wir aus noch lesbaren Zeitungen und Illustrierten Schnipsel schneiden, die dann zu Toilettenpapier verarbeitet werden, ist ein Skandal!

Im Bündnerland kann ein Grossteil der Bevölkerung auch im Jahr 2013 noch immer weder lesen noch schreiben. Tausende Kinder oder rumantschsprechende Erwachsene würden von dem gespendeten Papier profitieren! Stattdessen schmeissen wir uns die wertvollen Buchstaben zur Fasnachtszeit in Form von Konfetti um die Ohren!»

Gordi Barzockel regt sich vor allem darüber auf, dass die Behörden der sinnlosen Papiervernichtung tatenlos zusehen: «Stellen Sie sich vor, aus gespendeten Altkleidern würde man Schnipsel schneiden, die dann zu Putzlumpen verarbeitet werden. Da würden die Leute aber auf die Barrikaden», so der bekennende Analphabet. Er gebe seine Kleider seit Jahren in die Sammlung und sei stolz darauf, mit gespendeten Ed Hardy-Pullovern und Skijacken bedürftige Kinder in Afrika zu unterstützen.

Papier wird ins Ausland verhökert

Um zu sehen, wo das gespendete Altpapier wirklich landet, hat der Enthüller einen Stapel Papier mit dem iPhone des Praktikanten präpariert. Die Spur konnte bis ins italienische Ponte a Serraglio verfolgt werden, dann riss die Verbindung ab. Das  699.- Franken teure Ersatz-iPhone, das beim Zweitversuch zum Einsatz kam, landete in Polen und wurde dort mit grösster Wahrscheinlichkeit geschreddert. Um sicherzugehen, dass gespendetes Papier auch wirklich bei Bedürftigen ankommt, verschicken es immer mehr Spender gleich selbst.

Müssen ohne Blick am Abend auskommen: Kinder in Nigeria.

Müssen ohne Blick am Abend auskommen: Kinder in Nigeria.

So auch Erwin Moser. Der gebürtige Nigerianer sammelte von Januar bis Oktober «Blick am Abend»-Ausgaben, die er seinem Heimatdorf in Afrika zukommen lassen wollte. «Ich dachte der Blick am Abend würde sich für die Kinder in meinem Dorf ganz besonders eignen. Viele Bilder, grosse Titel und anspruchslose Texte, also das ideale Material für Leseanfänger.» Er habe vorsorglich sogar die Glogger-Kolumnen auf der letzten Seite herausgeschnitten, damit keines der Kinder auf die Idee komme, man könne mit dem Verschicken von Spam Geld verdienen.

Doch Moser hatte die Rechnung ohne die nigerianischen Zollbehörden gemacht. «Das Zeitungspaket kam mit einem Vermerk der Grenzwächter zurück . Nach dem Lesen einiger Ausgaben habe man beschlossen, dass es sich beim Spendengut um ‚Sondermüll in Zeitungsform‘ handle. Dafür sei eine Spezialdeklaration nötig.» Moser gibt allerdings nicht auf. Er sammelt jetzt alte Ausgaben der Weltwoche und will sein Glück in einem halben Jahr nochmals versuchen.

 Text: Buzz Orgler, Bild oben: Wikimedia, Bild unten: Jessi Olan

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