Zürich (den) – So etwas hat es in der Geschichte des grössten Schweizer Boulevardblatts noch nie gegeben. Wo normalerweise junge Damen lasziv ihre Brüste in die Kamera strecken, bekommt der Leser heute die bekleidete Aisha (18) zu sehen. Diese geizt mit ihren Reizen, zeigt bis auf die nackten Schultern und die Augenpartie keine Haut. Grund für das Nippelmanko? Eine Photoshop-Panne.
«Beim Speichern ist uns ein Fehler unterlaufen», gibt Chefgrafiker Roland Benkhauber zu. Man habe die bearbeitete Version des Bildes, auf welcher Aishas Brüste und das komplette Gesicht zu sehen waren, aus Versehen mit der unbearbeiteten überschrieben. «Wir wollten halt rechtzeitig zum WM-Achtelfinal aus dem Büro. Was geschehen ist, tut mir unendlich leid. Zum Glück haben wir in der heutigen Blick-Ausgabe auf Seite fünf einen Bericht über die Femmen, das Blatt muss also nicht ganz ohne Titten auskommen. Trotzdem hätte das nicht passieren dürfen!»
Shitstorm auf Facebook
Trotz der Entschuldigung Benkhaubers, die Leser des Blicks machen ihrem Ärger Luft. Auf der Facebookseite des Boulevardblatts erscheinen im Sekundentakt neue gehässige Kommentare. «Wie sol IcH zu sooo etwas WICHSSEN?!» oder «Waruhm tseigt dise SchlAhmpe ihre Mushi nicht» sind da noch die harmlosesten Aussagen.
Gemäss einem Insider sollen die Telefone an der Dufourstrasse Sturm klingeln. Bisher hätten über 16’000 Leser ihr Abonnement gekündigt. «Viele von denen meinten, wenn sie eine Zeitung ohne Titten wollten, hätten sie von Anfang an die NZZ abonniert.» Und auch auf rechtlichen Ärger muss sich der Blick gefasst machen. Da die textile Verschleierung auf dem Foto einer Burka ähnlich sieht, verstösst das Bild im Tessin gegen das Gesetz.
Erotisches Appetithäppchen der anderen Art
Rückendeckung erhält der Blick von Alice Schwarzer. Für eine Boulevardzeitung fände sie es sehr mutig, das Bild einer verschleierten Frau als «erotisches Appetithäppchen» abzudrucken. Besonders berührt habe sie, dass die Frau auf dem Foto trotz Schleiers für einmal nicht im Zusammenhang mir radikalen Gruppierungen stehe. Des Weiteren sei sie weder als schwarz arbeitende Putzfrau noch als Opfer eines gewalttätigen Mannes porträtiert worden.
Auch die Tatsache, dass das Interview mit Aisha nicht durch zweideutige Aussagen wie «Ich reite gerne» oder strunzblöde Plattitüden wie «Ich liebe die Geräusche des Waldes, weil sie geben mir Energy» kaputtgemacht worden sei, müsse man dem Blick hoch anrechnen.
Dort zeigt man sich gerührt über die Komplimente Schwarzers, verspricht aber, in Zukunft wieder auf die Kernkompetenzen zu setzen: Titten, Skandale und Sport. Auch die üblichen bescheuerten Interviewantworten wie «Ich ficke gerne im Mondschein» oder «Einen flotten Dreier fände ich geil, besonders mit einem Ü50 Lastwagenfahrer» sollen ab morgen wieder die Fotos anreichern. Man gehe davon aus, dass diese Bildunterschriften vom Leser sowieso nicht beachtet würden und die Praktikanten hätten jeweils grossen Spass daran, die Antworten zu erfinden.
Bild oben: Chelo Savolini Bild unten: Wikimedia/Michael Lucan