Das grosse Journalismus ABC, Teil 6

26. März 2014 | Von | Kategorie: Medien

Zürich (den). Nach der Troll-Geschichte von gestern, zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, ein gutes journalistisches Fachwissen zu haben. (Keine Ahnung, ob die Kommas im vorangegangenen Satz richtig gesetzt sind. Wir machen das hier eher so intuitiv.) Darum hier die Buchstaben S bis V.

S wie Selbstständigkeit

Schliesst ein Journalist sein Studium ab, wartet auf ihn bekanntermassen erst mal ein oder zwei Praktika. Wem dies aber zu blöd ist, der macht sich selbstständig. «Freier Journalist» nennt sich das im Fachjargon. Unter Studienabgängern gilt der Begriff als Euphemismus für «Ich bin faktisch arbeitslos, wohne wieder bei meinen Eltern und schreibe ein Mal im Monat für die Andelfinger Zeitung eine Repo über die GV des Chüngelizüchtervereins.»

Kann man sich trotz allem etablieren, stehen einem sämtliche Möglichkeiten offen. So kann man als Freier (Der gute, nicht der böse. Also was Sie jetzt wieder denken…) alle Geschichten machen, die einem bei einem grossen Medium verwehrt geblieben wären. Diese Geschichte verkauft man an eben diese Verlage oder TV-Stationen, die einen zuvor nicht anstellen wollten. Verhandelt man geschickt, kriegt man dann die Hälfte des Geldes, das man für die Story gerne gehabt hätte und kann, wenn’s hoch kommt, knapp die Auslagen decken.

T wie Titel

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Bei diesem Geistesblitz hat die Redaktion gleich ne Flasche Schämpis geköpft.

Wenn der Titel den Leser nicht anspricht, wird auch der Text nicht gelesen. Darum muss der Titel fesseln, er muss ein Versprechen an den Leser sein und ihm sagen: «Wenn ich schon so geil bin, wie geil ist erst der Text?» Darum gibt es in einzelnen Redaktionen Journis, die sich speziell um die Titel der Texte kümmern. Wenn die so richtig aufdrehen, darf der Leser dann Zeuges lesen, wie: «Daniela hat noch mehr auf Lager» (Ist eben lustig, weil es im Text um Daniela Lager geht und dass dann eben ein voll lustiges Wortspiel ist, tschäggsch?) Oder den hier: «Sylvie zeigt ihre Ballons» (Weil gnihihi, eben Ballons und Brüste, hoho, das ist eben voll doppeldeutig muahahah, ich seich id Hosä.) Sie sehen, der Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt.

Hier ein paar todsichere Tipps für zukünftige Journis:

Bei Berichten über die Queen muss im Titel der Begriff «Not amused» vorkommen, alles andere wäre eine verpasste Chance. «Harrys Nacktbilder: Queen ist not amused», «Krimkrise: Queen ist not amused», «Olympia in London: Queen ist not amused».

Schenkelklopfer-Potential: 70%

Johnny Depp Titel: «Johnny macht sich zum Deppen», «Johnny, der Liebes-Depp», «Hier schreibt Johnny eine Depp-esche»… Sie haben den Dreh raus.

Schenkelklopfer-Potential in der Redaktion: 90%. Schenkelklopfer-Potential bei geistig gesunden Menschen: unter 30%

U wie Unabhängigkeit

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Googlet man Unabhängigkeit, spuckt der Compi als erstes Chuck Norris und als zweites die Weltwoche aus.

Die Unabhängigkeit ist eine der wichtigsten journalistischen Tugenden. Sie ist massgebend für den Ruf eines Journis, einer Redaktion, ja gar eines ganzen Mediums. Kein Medium ist in der Schweiz so unabhängig wie die «Weltwoche». Sie ist sozusagen die unabhängige Fackel im Sturm der Mainstream-Medien, bei denen nur Linke und Schwule in den Redaktionen hocken. Ein besonders herausragendes Stück unabhängiger, journalistischer Arbeit findet man in der Ausgabe der letzten Woche (Nr. 12). Dort wird ein Gespräch mit Bundesrat Ueli «Ich ha kei Luscht» Maurer geführt. Und als staatskritisches Medium stellt die Weltwoche genau die richtigen Fragen. «Tim Guldimann (Chefunterhändler in Kiew) sagt öffentlich, die Schweiz soll der EU beitreten, und der Bundesrat hat nichts dagegen einzuwenden. Da stimmt doch etwas nicht.» Zack, die Frage sitzt, auch wenn der Redaktor kein Fragezeichen angefügt hat. Maurer kann da nur noch beipflichten. Oder diese, alles andere als unterwürfige Frage: «Woher nehmen Sie eigentlich die Kraft und die Motivation, jeden Morgen in der Früh aufzustehen und gegen eine unüberwindbare Wand anzurennen?» (Zuvor sagte Mauerer, der Bundesrat sei ganz klar Mitte-links dominiert.) Zeugen berichteten, dass Maurer zu diesem Zeitpunkt ein heiligenschein-artiges Licht umhüllte und er langsam gegen Himmel aufstieg…

V wie Vinzenz Wyss aka Vincenzo Nero

Vinzenz oder Vinnie, wie ihn Freunde nennen, ist Professor für Journalistik an der ZHAW in Winterthur. Nach drei besuchten Semestern lassen sich seine Vorlesungen  im Grunde genommen auf ein Thema herunterbrechen: Qualität im Journalismus. Vinnie hat eine klare Vorstellung davon, was qualitativ hochwertig ist und was nicht. Er schreibt wissenschaftliches Geschwurbel mit Qualitätstipps für die Praxis, sprich, für arbeitende Journalisten. Doch diese belächeln seine gutgemeinten Ratschläge. Vinzenz Wyss ist wie der Fahrlehrer, der einem beibringt, nochmals in den toten Winkel zu gucken, bevor man den Kreisel verlässt. Das macht man dann zwei Mal bis man merkt, dass es komplett für den Arsch ist. Aber eigentlich ist der Vinz eben tief in seinem Herzen ein geiler Siech. Und dafür danken ihm ganze Generationen von Journalisten Praktikanten und zukünftigen Journalisten Praktikanten.

Den Anfang verpasst? Hier gibts Teil 1-5.

Text: Kulicka, Bild: Screenshot Blick und iPhone-Foti von Kulicka (Ditschitäl Tschörnälisem!!)

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