Das grosse Journalismus ABC, Teil 7

2. April 2014 | Von | Kategorie: Medien

Zürich (den). Nachdem einen gestern hinter jeder Ecke ein blöder Witz und ein auf lustig gemachter Artikel angesprungen hat, widmen wir uns heute wieder dem Ernst der Situation. Willkommen zum Teil 7 unseres Journalismus ABCs.

W wie Wortneuschöpfung

Ohne Wortneuschöpfung (oder auch Neologismus) kommt man heute als Journi fast nicht mehr aus. Besonders im Boulevard wird gerne und häufig auf diese Wortform zurückgegriffen. Das ist verständlich, denn der Neologismus spart Zeit und Platz. Anstatt „Der Mann, der vor einer Woche im Hallenbad kleine Mädchen gefilmt hatte, wurde verhaftet“ zu schreiben, tippt man einfach „Sex-Grüsel gefasst!!“. Aus dem Mann, der sich mit einer Leuchtpetarde die Finger wegsprengt, wird der Petarden-Trottel. Die Nachbarin, die am Sonntag das Altglas entsorgt, wird zur „Terror-Nachbarin vom Islisberg“. Gewisse Neologismen lassen sich sogar umdrehen. z.B. „Grüsel-Sex mit Vujo“.

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Neologismen

Wie setzt sich ein Neologismus im besten Fall zusammen? Gute Frage, imaginärer Leser. Wichtig für das Erstellen einer Wortneuschöpfung ist die Auswahl der Worte (Logisch, dah…*Augenverdreh*) Alles ums Thema Sex macht sich gut. Auch Schockwörter wie Horror, Terror (siehe Beispiel Terror-Nachbarin) oder Amok sind sehr beliebt. Zur Not tuts auch ein Helvetismus.
Für zukünftige Journalisten hier eine Auswahl an Titeln, die der geneigte Leser gerne zum Eigengebrauch verwenden darf: „Nutten-Krach am Hauptbahnhof“, „Der Büsi-Quäler vom Ballenberg“, „Horror-Crash auf dem Atzmänig“, „Jetzt spricht der irre Terror-Rentner“, „Der Busen-Grabscher ist zurück“, „Sado-Beller: Ich bin kein Sex-Tourist!“

 

X wie Xylofon

Sollten Sie als Journalist jemals in die undankbare Situation kommen, eine ABC-Liste erstellen zu müssen, werden Sie froh sein um das Xylofon. Entweder das, oder Sie schreiben etwas zur wandelnden Luxus-Tusse (man beachte die Wortneuschöpfung) Xenia Irgendwaseva. Also uns wäre das Xylofon lieber. Es hat zwar nicht die gleich schönen Glocken wie blonde Ticino-Russin (und Zack, noch einer…) dafür ist das Xylofon sicher einfacher im Umgang.

X wie Xenia

Xenia

Dieses Xylofon macht häufig durch falsche Töne auf sich aufmerksam.

Sollten Sie doch je über Xenia berichten müssen, erwähnen Sie unbedingt, dass die mal bei einer Bank in London ein Prakti gemacht hat und darum vollstens legitimiert ist, sich zu komplexen wirtschaftlichen Themen zu äussern.

Y wie Y-Chromosom

Fast zum Schluss die harte Wahrheit über das Journalistenleben. Gehören Sie zu den Trägern eines Y-Chromosoms, dann haben Sie im Journalismus ganz schlechte Karten gezogen. Männer werden im Journalismus systematisch übergangen. Schauen wir uns nur mal die Konzernspitzen der Verlage und Medien an. Tamedia-Chef ist der Tonini, mit dem Supino als VR-Präsi. Beim Tagi selber sitzt Strehle an den Schalthebeln, unterstützt vom Marti und dem Zucker. Bei 20 Minuten sind Boselli, Wälty, Zulauf und Looser am Drücker.Die NZZ hat Dengler als CEO, Jornod als Präsi des VRs und Spillmann als Chefredaktor. Bei der SRG sind im VR acht von zehn Sitzen durch Männer besetzt, bei der Geschäftsleitung sind ausschliesselich Männer im Amt.
Was wollen wir damit sagen? Obwohl bis jetzt (fast) nur Männer in den wichtigsten Positionen anzutreffen sind, stell sich die Frage: Wie lange noch? Dass die Männer bald ausgedient haben dürften, zeigt sich beim Blick. Dort wurde vor ein paar Monaten Andrea Bleicher als provisorische Chefredaktorin eingestellt. Sie musste ihren Posten zwar mittlerweile wieder räumen und wurde durch einen Mann ersetzt, aber es zeigt sinnbildlich, dass Männer im Journalismus in etwa 100 bis 200 Jahren ausgedient haben dürften.

Z wie Zensur

Dies geht an alle Community-Managers und allgemein an alle Journis, die irgendwie mit den Lesern, Zuschauern und sonstigen aktiven Medien-Konsumenten zu tun haben. Jeder von Ihnen kennt die Situation: Ein heikler Kommentar wartet auf seine Veröffentlichung. Man fragt zur Sicherheit den Chef und entschliesst sich dann dazu, den Kommentar „Lasst doch die Neger an der Grenze stehen, sollen sich die Tschinggen drum kümmern“ nicht zu veröffentlichen. Zack, hat man gleich die Troll-Armee am Hals. Und was schreien die lauthals? Zensur. ZENSUR!!! Es folgen Mails: „Das ist ja schlimmer als in der DDR!!, Anrufe: „Was seid Ihr nur für eine dreckige Zensur-Behörde. Man darf doch wohl noch seine Meinung sagen!, und wenn’s ganz hoch kommt, statten die Trolle einem gar einen kleinen Besuch im Büro ab: Ich möchte Ihr Gesicht als Maske tragen.
Unser Tipp. Zensieren Sie was das Zeugs hält. Ihre einzige Hoffnung muss sein, dass die Trolle durch die konstante Zensur zur Konkurrenz abwandern. Dort werden die Comments nämlich durch den Praktikanten betreut und der traut sich die umfassende Zensur im DDR-Stil nicht.

Wir bedanken uns fürs Lesen unseres Journalisten ABCs und hoffen, dass Sie sich nun gegen diesen Beruf entscheiden werden.

Text: Pavel Kulicka, Bilder: Screenshot Blick.ch, Wikipedia

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