Gesundheitsgefahr: Jedes zweite Billigshirt mit Kinderschweiss kontaminiert

16. Januar 2015 | Von | Kategorie: Ausland
Ekelhaft: Dieser Junge trägt noch nicht mal Handschuhe, während er preisgünstige Kleider für Schweizer Kunden produziert.  bild: shutterstock

Ekelhaft: Dieser Junge trägt noch nicht mal Handschuhe, während er preisgünstige Kleider für Schweizer Kunden produziert. bild: shutterstock

Basel (den) — Es ist eine Schande für die Textilindustrie. Ein Test der Stiftung Quality-Control fördert zu Tage, dass jedes zweite T-Shirt mit Kinderschweiss kontaminiert ist. Durchschnittlich drei Gramm befinden sich in einem Kleidungsstück. Auch Produkte aus Bio-Baumwolle sind von den Verunreinigungen betroffen. Bei Hosen steigt der Wert sogar auf bis zu 12 Gramm an! «In so einer hohen Konzentration stellen die Verunreinigungen eine Gefahr für die Gesundheit dar», warnt Michael Imhof vom Institut für Verbraucherschutz.

Er wirft Billigproduzenten vor, das Wohl europäischer Käufer kaltblütig aufs Spiel zu setzen. «Jeder weiss, dass die 12- bis 14-jährigen Näherinnen in den Fabriken auf Grund ihrer Mangelernährung an Krankheiten leiden. Die Viren und Bakterien schwitzen sie während des 14-stündigen Arbeitstages in die Shirts rein. Und diese kontaminierten Textilien landen dann in unseren Läden. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes Sweatshirts». Zwar könne sich der Konsument vor den Krankheitserregern schützen, in dem er die Kleidungsstücke nach dem Kauf gleich wasche. «Wer aber die Textilien im Laden anprobiert, der infiziert sich schon vor Ort.» Es könne ausserdem nicht angehen, dass der Konsument sein 14-fränkiges Shirt vor dem Tragen auch noch waschen müsse. «Wenn Sie ein Auto kaufen, müssen Sie ja auch nicht zuerst den Innenraum saugen, bevor Sie damit fahren können», so Imhof.

Der Juckreiz von Franziska von Hausen hielt fünf Minuten an. «Solche Schmerzen erlitt ich das letzte Mal, als mir beim Geldbezug am Bancomaten der Nagel riss.» bild: shutterstock

Der Juckreiz von Franziska von Hausen hielt fünf Minuten an. «Solche Schmerzen erlitt ich das letzte Mal, als mir beim Geldbezug am Bancomaten der Nagel riss.» bild: shutterstock

Ausschlag und Atemnot

Franziska von Hausen weiss, was Kinderschweiss anrichten kann. Die 52-jährige Gattin eines Privatiers kauft kurz vor Weihnachten eine Bluse für 29 Franken. Schon kurz nach dem Anprobieren setzt starker Juckreiz ein, von Hausen bekommt kaum noch Luft. Sie durchleidet in einer Modefiliale mit zwei Buchstaben (wir dürfen Markennamen nicht ausschreiben, aber sie Haben Möglicherweise durchschaut, wen wir meinen) bange Minuten. «Mir wurde plötzlich blümerant, alles begann sich zu drehen», erinnert sie sich.

Von Hausen ist allergisch gegen Curry. Sie vermutet, dass Spuren des Gewürzes es in ihre Bluse geschafft haben. «Bestimmt hat eines dieser Kinder was mit Curry gegessen und das Teufelszeug dann in mein Kleidungsstück geschwitzt.» Dieser Meinung ist auch Konsumentenschützer Michael Imhof.Der Fall von Hausen beweise, wie gefährlich kontaminierte Kleidung sei. «Obwohl auf indischen Baumwollplantagen massenhaft Pestizide eingesetzt werden, schaffen es die Krankheitserreger der Kinder trotzdem nach Europa.» Franziska von Hausen könne von Glück sprechen, dass die Nähte ihrer Bluse so billig verarbeitet gewesen seien. «Dank einem kräftigen Ruck konnte sie sich das Kleidungsstück im Nu vom Leib reissen. Gott weiss, wie die Geschichte sonst ausgegangen wäre.»

«Braucht es Tote, bevor reagiert wird?»

Michael Imhof fordert die grossen Textilhersteller dazu auf, endlich ihre Konsumenten zu schützen. «Auch Schweizer Säuglinge tragen Kleider, die durch verschwitzte Kinderhände gingen. Muss es erst zu Todesfällen kommen, bevor die Firmen reagieren?» Ihm sei bewusst, dass man aus Kostengründen nicht plötzlich Klimaanlagen in die 45 Grad heissen Produktionsräume einbauen könne. «Es sollte jedoch möglich sein, die Hände der Arbeiterinnen mit Handschuhen zu überziehen.»

Imhof fordert ausserdem, dass die Textilien vor der Reise nach Europa gewaschen werden. «Sie würden bei der Ankunft besser riechen und wären keimfrei. Ausserdem könnten Schweizer Haushalte dadurch Millionen von Litern an kostbarem Trinkwasser sparen.» Einige Produzenten prüfen Imhofs Vorschläge. «Solche Optimierungen sind natürlich immer mit Kosten verbunden», sagt Peter Stutz von A.U.S.B.E.U.T. (Ausländische und Schweizer Behörde für Energie und Textilien). Das Waschen der Shirts vor dem Export würde etwa 28 Rappen pro Kleidungsstück kosten. Man arbeite momentan an einer Lösung, wie man die Konsumenten vor diesem horrenden Preisaufschlag schützen könnte, ohne sich die Gewinnmarge zu versauen. Allerdings würden sich die indischen Behörden querstellen. «Das legale Arbeitsalter liegt dort noch immer bei 15 Jahren. Solange kein Spielraum nach unten besteht, sehe ich für die Konsumenten, die günstige Preise fordern, schwarz.»

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