fög bricht grausames Experiment ab: Blick-Abonnenten erhielten eine Woche lang die NZZ

4. November 2014 | Von | Kategorie: Medien
Diese ehemaligen Blick-Leser sind fürs Leben geschädigt. Und sie wurden noch nicht mal von einem Eritreer verprügelt!

Diese ehemaligen Blick-Leser sind fürs Leben geschädigt. Und sie wurden noch nicht mal von einem Eritreer verprügelt!

Zürich (den). Eigentlich wollte das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) nur beweisen, dass Qualität sich durchsetzt. Doch nach gerade mal sieben Tage muss ein auf sechs Monate angelegtes Experiment abgebrochen werden. Geplant war, 1000 Blick-Abonnenten ein halbes Jahr lang die NZZ zuzustellen, während 1000 NZZ-Abonnenten das Boulevardblatt erhalten hätten. Der Schuss ging allerdings komplett nach hinten los. 95 Prozent der einstigen Blick-Leser konnten mit den Artikeln des rechtsliberalen Bildungsblattes nichts anfangen, brachen schon beim Anblick von vierspaltigen Texten in Schweiss aus.

Unter ihnen auch die 53-jährige Kathrin Gloor. Seit sie die Realschule abbrach, habe sie nichts mehr gelesen, das so verwirrend geschrieben sei. „Diese langen Texte in Kombination mit komplizierten Wörter. Da standen Sachen wie „minorenner, autoaffiner Schweizer mit Migrationshintergrund“ anstatt minderjähriger Balkan-Raser. Ich bin beim Lesen regelmässig eingenickt. Das kann ich mir als Lastwagenfahrerin nicht leisten, schliesslich lese ich die Zeitung im Auto.“ Gloor sagt, sie habe bei der NZZ auch journalistische Kerndisziplinen wie das mit 50’000 Franken dotierte Säulispiel, das Girl des Tages oder das Kreuzworträtsel vermisst. Sogar ihre sechs Katzen hätten gegenüber der NZZ Abneigung ausgedrückt. „Die haben die ganze Woche neben ihr Kistchen geschissen.“

„Um was zur Hölle geht es hier?“

Sie wünscht sich einen Titel, den sie von Anfang an versteht.

Sie wünscht sich einen Titel, den sie von Anfang an versteht.

Auch Landwirt Michael Griess lässt kein gutes Haar an der NZZ. „Da standen Titel wie ‚Grünes Licht für Rot-Rot-Grün’ oder ‚Europas Spieler an der Spitze – Neues Kräfteverhältnis im Golf’. Bei solchen Überschriften frag ich mich natürlich, um was zur Hölle es in diesen Artikeln geht? Neues Kräfteverhältnis im Golf? Heisst das mehr PS für den Golf GTI?“

Die Bilder seien ihm zu klein gewesen, über Prominente habe er so gut wie gar nichts erfahren und regelmässig habe er Abschnitte wiederholt lesen müssen, um den Zusammenhang zu verstehen. „Ich kam mir richtiggehend dumm vor und brauchte jeweils eineinhalb Stunden, um die Zeitung durchzulesen. Diese Zeit kann ich mir unmöglich nehmen. Beim Blick reichen mir gerade mal 15 Minuten. Wenn auf dem Klo die Seite mit dem Girl des Tages fehlt, schaff ich’s sogar in zehn.“

NZZ-Leser vom Blick begeistert

Ganz anders sieht es bei der Gruppe aus, die den Blick zuvor höchstens zum Stopfen von feuchten Skischuhen in die Hand nahm. Ex-NZZ-Abonnent und Neo-Blick-Fan Sedrik Ross ist vom Boulevardblatt begeistert: „Schon auf Seite eins gab es Brüste zu sehen. Und auf Seite 12 gleich nochmals. Irgendwas von wegen Femmen. Die Brüste meiner Frau habe ich vor 22 Jahren das letzte Mal gesehen, darum war der erste Eindruck sehr gut.“ Gefallen habe ihm auch, dass er nach der Lektüre der Titel schon gewusst habe, um was es im Artikel geht. „’Sex-Grüsel muss für 10 Jahre in den Horrorknast’ lässt ja nicht viel Spielraum für Interpretationen offen. “

Ein total langweiliges Symbolbild aber wir wollten den Text etwas auflockern und das Foto war gratis.

Ein total langweiliges Symbolbild, aber wir wollten den Text etwas auflockern und das Foto war gratis.

Gemäss fög haben innerhalb der Testwoche 800 NZZ-Leser ihr Abo gekündigt und sich neu beim Blick einschreiben lassen. Die Blick-Leser, die die NZZ-erhielten, seien hingegen so verzweifelt gewesen, dass sie schon um 14 Uhr vor Blick-am-Abend-Boxen standen und auf ihre Portion Boulevard warteten. fög-Leiter Kurt Imholz ist von den Ergebnissen seines Experiments geschockt. „Man kann den Lesern wohl doch keine Qualität aufzwingen. Wer bei Mc Donalds essen will, der holt sich halt nicht Steak und Austern, auch wenn er das Geld dafür hätte.“ Scharfe Kritik erhält das fög auch vom Presserat. Blick-Lesern die NZZ anzudrehen sei wie Shades-of-Grey-Fans Adorno aufzuzwingen. „Menschenunwürdig.“

Umleitung auf watson.ch geplant

Gegenüber dem Enthüller spricht Imholz von einem grossen Fehler. „Das Experiment hätte so nie stattfinden dürfen. Aber ich wollte halt mal was Neues probieren. Durch das jährliche Genörgel wir ja auch niemandem geholfen.

Als nächstes wolle man die User von 20Minuten.ch unfucken und auf watson.ch umleiten. „Da erwarten wir allerdings keinen grossen Aufschrei der Testpersonen. watson.ch wurde ja aus den Restbeständen von 20 Minuten gegründet, die Schreibe dürfte also bis auf die sensationell unterhaltsamen Blogs in etwa gleich sein. Und wenn nicht: Über was besseres, hat man sich ja noch selten beschwert.“

Foto oben und Mitte: Flickr/Rob. Foto unten: Flickr/guastevi

Mehr in Medien

Schlagworte: , , , , ,

Schreibe einen Kommentar