Telefonzellen werden mit Urinalen ausgestattet

2. September 2014 | Von | Kategorie: Schweiz

 

Der Sicherungskasten unten rechts soll durch ein Pissoir ersetzt werden.

Der Sicherungskasten unten rechts soll durch ein Pissoir ersetzt werden.

Bern (den). Knapp 7’000 Telefonzellen stehen in der Schweiz. Ein Grossteil von ihnen wird selten benutzt. Zumindest zum Telefonieren. Die Betreiberfirma plant darum in einem Pilotprojekt, ein Drittel ihrer Telefonzellen mit einer zusätzlichen Einnahmequelle auszustatten: Urinalen. Dabei behilflich ist ihr die Firma McClean, welche nebst der Installation für die monatlichen Reinigungsarbeiten aufkommen wird.

«Heute tätigt jeder seine Anrufe mit dem Handy. Telefonzellen werden eigentlich nur noch aufgesucht, um mit dem Mobiltelefon im Trockenen zu telefonieren oder um anonyme Scherzanrufe durchzuführen», so Sprecher Catalin Peterhans. Die schlecht durchlüfteten Glashäuschen würden seit Jahren Verluste schreiben. Man sei schon seit langem auf der Suche nach einer zusätzlichen Einnahmequelle gewesen. «Bisher hat nichts funktioniert. Ob mobiles Internet, SMS-Versand oder ein elektronisches Telefonbuch, wir haben es nicht geschafft, die Leute wieder in die Telefonzelle zu bringen. Als dann aber ein Praktikant bei der letzten Weihnachtsfeier die Idee mit den Urinalen hatte, wussten wir: Das ist es!»

 

«Wir erwarten täglich 28‘000 Benutzer»

Falls Sie's vergessen haben: So sehen Telefonzellen aus.

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Ab Januar sollen die ersten Telefonzellen mit integrierten Urinal in Betrieb gehen. Dafür werden die Kabinen vom Hygieneriesen McClean umgebaut. Die Seiten sowie die Rückwände der Glashäuschen erhalten getönte Scheiben. Der Sicherungskasten soll unterirdisch verlegt und durch ein wasserloses Pissoir ersetzt werden. Die Benutzung des Urinals kostet zwei Franken, inklusive Reinigungsgel für die Hände. Ein happiger Preis fürs Pinkeln, der damit gerechtfertigt wird, dass ein Anruf ins Schweizer Festnetz inbegriffen sei.

Angst, dass die Kunden aufgrund von Geruchsemissionen ausbleiben, hat man nicht. «Wer in den letzten 5 Jahren schon mal in einer unserer Telefonzellen war, weiss, dass es da drin nicht nach Rosen duftet», so Peterhans. Durch eine monatliche Reinigung soll sichergestellt werden, dass die Urinale den hohen Ansprüchen der Benutzer gerecht werden. Peterhans rechnet mit 28‘000 pinkelfreudigen Benutzern täglich. «Unsere Telefonzellen stehen an stark frequentierten Orten. In vielen Schweizer Städten herrscht ein Mangel an öffentlichen Toiletten. Wir schaffen daher ein attraktives Angebot», gibt sich der Unternehmenssprecher überzeugt.

Reputationsschaden für den Kommunikationsanbieter

Für Werber Francesco Bodini ist das Pissoir- Telefonkonzept eine Schnapsidee. «Warum sollten Männer die betrunken nachhause torkeln zwei Franken fürs Pinkeln bezahlen, wenn der Busch daneben gratis ist?» Er befürchtet einen massiven Reputationsschaden für den Kommunikationsanbieter. 

Von der Idee der «Pinkelkabine» ist auch Laurence Castini nicht angetan. «Fünf Meter von unserem Garten entfernt steht eine Telefonzelle. Bisher wurde die von Jugendlichen benutzt, die im Winter zum Fummeln reingingen. Manchmal sah ich auch Leute vom gegenüberliegenden Altersheim im Glashäuschen stehen, wohl um sich an die guten alten Zeiten vor dem Handy zu erinnern.» Dass demnächst neben ihren geliebten Rosenbüschen gepinkelt wird, stört die Winterthurerin. «Egal was die da reinsprühen, das wird doch grauenhaft riechen! Wir müssen schon mit dem Duft der Müllverbrennungsanlage am Ende der Strasse klarkommen, und jetzt auch noch das!» 

Sprecher Catalin Peterhans versteht die Einwände, verspricht aber, dass es aus den Telefonzellen zukünftig nicht mehr stinken werde als momentan. «Wissen Sie, bei jeder neuen Idee haben Sie Nörgler, die sagen, dass das nie im Leben funktionieren wird. Die hatten wir letzten Sommer auch, als wir unsere iO-App lanciert haben. Gut, im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, dass die Pessimisten Recht hatten. Selbst Tina Turner kann den Schweizern dieses mysteriöse Produkt nicht schmackhaft machen, obwohl es vom Ansatz her ja gut wäre. Sei’s drum, wir glauben an die Partnerschaft mit McClean. Wir haben sogar schon einen Slogan entwickelt. Das Gelbe muss ins Eckige.» 

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