Die Polizei warnt: Geisteskranker Mann spricht im Zug fremde Pendler an

10. April 2014 | Von | Kategorie: Schweiz
Diese Pendler verhalten sich richtig und vermeiden jeglichen Blickkontakt. Bild: KEYSTONE

Diese Pendler verhalten sich richtig und vermeiden jeglichen Blickkontakt. Bild: KEYSTONE

Zürich (den) – Ein 64-jähriger, geistig gestörter Mann verbreitet in mehreren Zürcher S-Bahnen Angst und Schrecken. Gemäss Polizeiangaben spricht der Psychopath unaufgefordert völlig fremde Pendler an, und das, obwohl sie Kopfhörer tragen oder desinteressiert auf ihre iPhones starren. «Man sollte meinen, dass in Zeiten von Gratiszeitungen, Smartphones und Tablets solche Verbalattacken der Vergangenheit angehören», sagt Polizeipsychologe Günther Bosch. «Schliesslich gibt es im Jahr 2014 dank des technischen Fortschritts diverse Unterhaltungsmöglichkeiten, die eine Konversation mit Menschen völlig überflüssig machen.»

Das scheint den 64-jährigen Perversen jedoch nicht zu interessieren. Schamlos missbraucht der Mann sowohl männliche als auch weibliche Pendler als billiges Unterhaltungsprogramm. Gemäss Günther Bosch handelt es sich beim Ansprechen von wildfremden Zugreisenden zu Unterhaltungszwecken um einen sogenannten «Entertainment Rape». «Vor allem ältere Menschen ohne Smartphone denken, dass diese Art der Kontaktaufnahme in Ordnung sei. Ihnen ist nicht bewusst, dass der moderne Zugreisende E-Mails zu checken und News-Seiten zu lesen hat. Dass sie mit ihren Verbalattacken die Bevölkerung verunsichern, wird ihnen oftmals erst in Untersuchungshaft bewusst.»

«Die anderen Pendler haben tatenlos zugesehen»

Kommunikationsexpertin und Teilzeithipster Sara Jorti wurde vergangenen Dienstag Opfer eines «Entertainment Rapes». Unter Tränen erinnert sie sich an den Tag, an dem für sie das Pendeln seine Unschuld verlor. «Das war im 13er-Tram Richtung Limmatplatz. Gegenüber von mir sass ein Typ mit grauen Haaren. Als ich plötzlich niessen musste, fragte er mich aus heiterem Himmel, ob ich an Heuschnupfen leide. Ich bin seiner Verbalattacke geschickt ausgewichen und habe nur den Kopf geschüttelt. Das brachte ihn aber erst richtig in Fahrt. Seine Tochter leide unter Heuschnupfen, ich solle es doch mal mit homöopathischen Medis probieren und am Abend die Kleider jeweils vor dem Betreten des Zimmers ablegen…»

Sara Jorti berichtet, sie sei in der Folge für zehn Minuten von «dem Perversen zugetextet» worden. Die anderen Pendler hätten dem «Entertainment Rape» tatenlos zugesehen. «Einer hat sogar ein Foto gemacht. Ich hatte panische Angst, dass der Eindruck entstehen könnte, der Perverse und ich würden uns kennen.» Jorti, die eigentlich aus einem ländlichen Teil des Kantons Aargau stammt, sagt, sie sei genau der Anonymität wegen nach Zürich gezogen. «Mir wurde suggeriert, in ‹der Hauptstadt› spreche einen kein Mensch an.» Die 26-Jährige hat aus dem schockierenden Vorfall ihre Konsequenzen gezogen. Sie hat sich einen Pfefferspray gekauft und fährt seit letzter Woche mit dem Taxi zur Arbeit. Etwas Gutes hätten die schlimmsten zehn Minuten ihres Lebens aber dennoch bewirkt. «Der Heuschnupfentipp mit dem Kleider-vor-dem-Zimmer-ablegen funktioniert tatsächlich.»

«Wir sind hier in Zürich und nicht in Istanbul»

Bisher hat die Zürcher Polizei Kenntnis von dreissig Verbalattacken. Die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen, da viele Opfer sich nicht trauen, eine Anzeige zu erstatten. Um im Zug nicht von Fremden angesprochen zu werden, empfiehlt Polizeipsychologe Günther Bosch, sich eine Gratiszeitung vors Gesicht zu halten oder Schlaf vorzutäuschen. Falls es dennoch zu einer Interaktion komme, könne diese in der Regel mit einem selbstsicheren «Bitte sprechen Sie mich nicht an, wir sind hier in Zürich und nicht in Istanbul» beendet werden. «Ansonsten müssen Sie sich umsetzten oder in einer Fremdsprache antworten. Unsere Statistiken zeigen ausserdem, dass Pendler in der ersten Klasse oder Menschen mit einer Bierdose in der Hand weniger häufig Opfer von ‹Entertainment Rapes› werden.»

Mehr in Schweiz

Schlagworte: , , ,

Schreibe einen Kommentar