Das grosse Journalismus ABC, Teil 5

19. März 2014 | Von | Kategorie: Medien

Zürich (den). Da sich bereits Hochschuldozenten bei unserem ABC bedienen, liefern wir hier die Begriffe Q und R. Nächstes Mal gibt’s dann wieder vier Buchstaben;-)

Q wie Qualität

Ja, die Qualität. Mit der ist es so eine Sache. Darum gibt es zwei Herangehensweisen an diese Mutter aller Journalismusbegriffe:

Qualität für Boulevard-Nutzer: Als qualitativ hochstehende (und somit gute) Artikel, Beiträge oder Sendungen gelten solche, die vom Leser, Hörer oder Zuschauer (nachfolgend Rezipienten genannt) häufig gelesen, gehört und geschaut werden. Das heisst im Klartext: Nicht die Ausland-Analyse über die Krimkrise ist gut, sondern die People-Geschichte über alle Weiber, die vom Bachelor in den Allerwertesten gepimpert wurden. Im Online spricht man auch von den sogenannten „Klick-Schlampen“, also von Artikeln die Sex, Horror oder sonst welche reisserischen Wörter im Titel haben. Das führt dann zur paradoxen Situation, dass sich die Rezipienten zwar lautstark über den Zerfall der Medien beklagen, sich Abends aber trotzdem lieber ein Sendung über fette Vorstadt-Assis reinpfeifen, statt sich eine gut recherchiert Rundschau anzuschauen.

Qualität für Medienforscher: Qualitativ gute Storys lassen sich an der Objektivität, der guten Recherche, der Faktizität und der Anzahl Fremdwörter messen, um nur einige Faktoren zu nennen. Gute Storys finden dabei ausschliesslich abseits des Publikums statt, sonst kann es unmöglich Qualität sein. Alles was irgendwie die Massen (also den gemeinen Pöbel) anzieht ist dabei verdächtig und weckt den Anschein von Boulevard.

Doch wer trägt die Hauptschuld an der leidigen Qualitätsdebatte? So hart es nun tönen mag: SIE, lieber Leser. Sie zeigen mit Ihrem Kauf, Ihrem Klick und mit Ihrer Einschaltquote, was sie gut finden und was nicht. Auch wenn Sie ein überzeugter Verfechter der Gleichberechtigung sind und die Würde der Frau bei jeder Gelegenheit hochhalten, jedes Mal wenn Sie auf das Blick-Girl des Tages klicken, schaufeln Sie ein weiteres sexistisches Grab für eine geltungssüchtige Apothekerin aus dem Luzerner Hinterland. Mit jedem Kauf eines debilen Frauenheftlis, jeder Ausgabe von Men’s Health, die Ihnen zum x-ten mal erzählt, dass Sie mit Hühnchenfleisch voll krass Ihre Mukis zur Geltung bringen, zeigen Sie den Grossverlagen, dass es sich finanziell nicht mehr lohnt, einen Journi für drei Monate zu den rumänischen Strassenkindern zu schicken, wenn man fürs gleiche Geld zehn Artikel zu den Krampfadern irgend einer Royalen Tusse machen kann.

Aber genug Gelaber. Weil Sie bis hier hin durchgehalten haben, gibt’s nun ein lässiges Titten-GIF.

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Wenn die wüsste, dass sie gerade einen Qualitätsartikel aufwertet, die würde noch viel kecker lächeln.

R wie Recherche

Früher war alles anders. Da gab es einen Spezialisten für jedes Thema. Die russische Geschichte der letzten 300 Jahre? Irgend ein Russiologe (wir nehmen an, so muss der heissen) liess sich in der grossen Redaktion finden, der einen 300-zeiligen Artikel aus dem Ärmel schütteln konnte, dass es nur so chlöpft und tätschte. Sollte er doch mal etwas nicht wissen, wusste er dafür genau, in welchem Buch er das Thema recherchieren konnte. Heute fehlen diese Spezialisten, sie wurden durch Allrounder ersetzt. Und so beginnt jede Recherche auf Google (Wer oder was ist die Krim?) oder direkt auf Wikipedia. Und weil dass alle Newshäuser so betreiben, kann dies zur lustigen Situation führen, dass Journis, andere Journis des Plagiierens verdächtigen ohne zu merken, dass beide den gleichen Stream der NATO-Medienkonferenz kucken oder beide die gleiche SDA-Meldung paraphrasieren.

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Da gibts ‚ne Metapher mit dem Glashaus, aber so genau wissen wir’s nicht.

Zur aktuellen Flugzeugsgeschichte ist im englischen Guardian ein spannender Artikel zu den Themen Qualität und Recherche erschienen. Hier ein Zitat daraus: «It is, of course, an ideal story for the current journalism era because it costs nothing. Nobody has to go anywhere.» Danke @nick_luethi

Text: Pavel Kulicka, Bilder: Amazing Boob Gifs, Twitter – Lea Hartmann

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