Das grosse Journalismus ABC, Teil 2

24. Februar 2014 | Von | Kategorie: Medien

Zürich (den.) Letzte Woche konnten Sie hier aus dem ersten Teil unseres Journalismus ABC lernen. Von A wie Ausbildung bis D wie Datenjournalismus. Wenn Sie diese knallharten Fakten nicht von Ihrem journalistischen Traum abbringen konnten, lesen Sie nun die Buchstaben E bis H.

E wie Experten

Der durchschnittliche Journalist kann heutzutage Texten, Filmen, Schneiden und Layouten. Er hat also das perfekte Rüstzeug für den stressigen journalistischen Alltag. Nur eines hat er immer weniger. Eine Ahnung. Aber für das gibt’s zum Glück Experten. «Ist es schlimm, wenn sich Jugendliche Nacktbilder zuschicken?» Jugendexperte Allan Guggenbühl weiss Rat. «Wie wirkt sich die Abstimmung XY auf das Abkommen XY aus?» Politexperte Michael Herrmann hat den Durchblick. Manchmal werden Experten auch verwendet, um die Bauchthese des Journalisten zu stützen, auch wenn die Fakten dagegen sprechen. Beispiel Weltwoche: Die ganze Schweiz hat sich darauf geeinigt, dass die Sache mit den Verdingkindern eher nicht so geglückt ist. Die Weltwoche  hingegen zaubert einen Historiker aus dem Hut, der sagt, es habe auch glückliche Verdingkinder gegeben und darum hätte die Sache ja auch was Gutes gehabt. Man merke sich: Keine Theorie ist zu abstrus, als dass sich nicht mindestens ein Experte dafür finden lässt.

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Dieser Experte ist so wichtig, dass er auf ein letztes E verzichten kann. Seine Meinung nehmen wir trotzdem.

F wie Fög

Das Fög (Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft) bringt jedes Jahr ein Buch zur Qualität der Schweizer Medien heraus. Darin wird beschrieben, wie schlecht es um genau diese Qualität steht, weil alle nur noch Titten und Ärsche bringen, dabei müssten Sie sich doch um demokratie-erhaltende Recherchen kümmern. Und weil sich der Inhalt des Buches jedes Jahr wiederholt, wird das Buch und seine Thesen von den Chefredaktoren grosszügig ignoriert. Dabei hätte der Kurt Imhof (Fög-Chef) gar nicht mal so Unrecht. Leider wirkt er aber wie ein Professor aus dem Elfenbeinturm, der den Chefs erklärt, dass sie mit dem Zeugs, mit dem sie in der Realität doch recht erfolgreich sind, in der Theorie nicht erfolgreich sein dürften. Die Medien benehmen sich dann jeweils wie bockige Teenager und schalten auf stur, anstatt sich den einen oder anderen Tipp geben zu lassen.

G wie Gratiszeitung

Gratiszeitungen sind eine tolle Erfindung der 90er Jahren.  Sie ermöglichen jeweils einer ganzen Generation von Teenagern stolz zu verkünden: «Ja, ich lese auch Zeitung».  Aber wie es das Wort „Gratis“ schon explizit sagt: Kost’ halt nix und so muss zwangsläufig irgendwo gespart werden. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine Lokalredaktion mehr Praktikanten als Redaktoren beschäftigt (Bild unten). Doch allen Unkenrufen zum Trotz schafft es die Gratiszeitung «20Minuten» Jahr für Jahr fette Gewinne abzuliefern. Das macht natürlich den grossen Bruder «Tagesanzeiger» hässig. Weil der aber keine Idee hat, wie er sein Zeugs attraktiver an die Leser verticken kann, wird jetzt «20Minuten» auf ein redaktionelles Minimum heruntergefahren. Auf jeden Fall behauptet das der Medien-Messias Hansi Voigt in diesem Interview. Und da wir zu faul sind um diese These nachzuprüfen, reicht uns die Meinung dieses Experten (Siehe auch E wie Experte).

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Müsste eigentlich zu denken geben. Vielleicht haben Sie aber auch die Seite seit einem halben Jahr nicht mehr aktualisiert. Screenshot 24.02.1014

H wie Honorar

Grundsätzlich funktioniert die Wirtschaft wie folgt: Ein Unternehmen stellt ein Produkt her und verkauft es an seine Kunden. Das funktioniert beim Schreiner, bei der Migros und auch beim Koksdealer. Für die Herstellung eines Produktes braucht es Mitarbeiter, diese werden vom Unternehmen für ihre Arbeit mit einem Honorar entlöhnt. Bis vor ein paar Jahren lief dieser Kreislauf auch bei den Medien. Irgendwann jedoch hatte ein ganz Schlauer die Idee: «Hey, wir stellen alles gratis aufs Internet, das wär im Fall mega lääs.» Da jetzt niemand mehr für Nachrichten bezahlt, die ganzen Verlagsfamilien aber trotzdem heftig Kohle scheffeln wollen, wird nun beim Honorar der Journalisten gespart. Dies führt zu Situationen, in denen ein 28-jähriger Journalist nach seiner Ausbildung noch einmal sechs Monate in ein Praktikum muss und dort gleichviel verdient, wie zu seiner Lehrzeit als 18-Jähriger Schnösel bei der Migros.

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Geben Sie ihm etwas, er könnte Journalist sein.

 

Text, Pavel Kulicka, Bild Experte Flickr, Screenshot 20Minuten Impressum, Beggar Flickr

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