Letzte Schweizerin ohne Smartphone gestorben

12. Dezember 2013 | Von | Kategorie: Schweiz
Hat Snake durchgespielt, 12 mal: Rösli Trütsch

Hat Snake durchgespielt, 12 mal: Rösli Trütsch

Herisau (den) – Heute hängen schweizweit die Fahnen auf halbmast. Rösli Trütsch, die letze Schweizerin ohne Smartphone, ist im Alter von 92 Jahren verstorben. «Wir sind froh, dass unsere Mutter nach all den Jahren des technischen Rückstands friedlich eingeschlafen ist», teilt Trütschs ältester Sohn dem Enthüller in einer WhatsApp-Nachricht mit.

Rösli Trütsch telefonierte seit 1999 mit einem Nokia 3210. Ob mobiles Internet, WhatsApp oder das Verschicken von E-Mails via Telefon, die Seniorin musste bis an ihr Lebensende ohne diese Annehmlichkeiten auskommen.

Schmerzen in den Daumen

Vor der Ära Smartphone war diese Schlange das einzig schwanzförmige auf einem Handy.

Snake war das „Sexting“ der frühen 2000er Jahre.

«Man stelle sich das mal vor! Meine Mutter tippte ihre SMS mit richtigen Tasten», berichtet ihr 68-jähriger Sohn Walter. Rösli Trütsch habe oftmals tagelang Schmerzen im Daumen gehabt, weil sich die Knöpfe ihres Nokia Handys so schwer drücken liessen. «Einmal zeigte ich ihr auf meinem iPhone einige Bilder meines Ferienhauses. Sie brach auf der Stelle in Tränen aus. Die Tatsache, dass ein Telefon Fotos machen kann, schockte sie.»

Rösli und ihr Nokia 3210 seien unzertrennlich gewesen, sagt Walter Trütsch. «Mit 82 fand meine Mutter nochmals ein neues Hobby, das fortan ihr Leben dominierte: ‚Snake‘.» Sie habe das Spiel drei Jahre nach dem Kauf des Handys zufällig entdeckt. «Oftmals sass sie für mehrere Stunden auf der Veranda, ignorierte ihre Enkelkinder und widmete sich ‚Snake‘, das sie liebevoll «s’Schlangespieli» nannte.

Sunrise kommt fürs Einäschern auf

Sunrise will mit Ballons die Verstorbene ehren.

Sunrise will mit Ballons die Verstorbene ehren. „Da kann man nichts falsch machen“, sagt die Marketingabteilung auf Anfrage.

Auch Telekommunikationsanbieter Sunrise trauert um die 92-Jährige. «Rösli Trütsch war eine unserer ersten und treuesten Kundinnen. Sie bezahlte bis zu ihrem Tod brav für jedes verschickte SMS anstatt wie alle anderen auf kostenlose Messenger Apps abzuspringen. Ausserdem fragte sie nicht alle sechs Monate, ob ihr ein neues Telefon zustünde. Im Gegenteil: Trotz zahlreicher Anrufe unseres Kundendienstes konnten wir ihr kein Smartphone schmackhaft machen. Soviel Kundentreue und Sturheit muss belohnt werden.»

Sunrise erklärt sich darum bereit, sämtliche Kosten für die Einäscherung von Rösli Trütsch zu übernehmen. Doch damit nicht genug. «Zu Ehren der 92-Jährigen werden wir ihre Asche an 30’000 Ballons aus Naturkautschuk befestigen. Diese lassen wir in Zürich steigen. Mit etwas Glück verteilen sie sich in der ganzen Schweiz und können viele Menschen erfreuen.»

Text: Buzz Orgler: Foto oben: Stefan Freyr, Foto unten: Jerry Downs

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