20 Minuten schuld an neuer Augenkrankheit

2. Dezember 2013 | Von | Kategorie: Medien

Bern (den). Schweizer Augenärzte schlagen Alarm. Seit zwei Monaten behandeln sie auffallend viele Patienten mit geschädigten Sehnerven. «Bis vor kurzem tauchte dieses Phänomen nur in Amerika auf. Neu sind auch viele Schweizer zwischen 12 und 25 davon betroffen», sagt Augenärztin Barbara Michelini.

Lange tapten die Fachärzte im Dunkeln. «Wir hatten die Vermutung, dass billige 3D-Fernseher mit der Krankheit in Verbindung stehen könnten», so Michelini.

Colin-Farrell-Shrug-In-Bruges

Die Ärzte waren anhungslos.

Doch Tests mit Teenagern, die man für mehrere Stunden 3D-Filme ohne Brille schauen liess, konnten die These nicht bekräftigen.

shhh

Gelöst wurde der Fall von Kommissar Zufall. «Als meine 17-jährige Tochter Kaya plötzlich auch von der mysteriösen Krankheit befallen wurde, haben wir ihren Tagesablauf rekonstruiert. Dabei haben wir festgestellt, dass Kaya häufig nach der Schule auf 20minuten.ch ihr Zeit vertreibt. Dort hat sie sich schlussendlich auch angesteckt.»

Oh-My-God

Des Rätsels Lösung war für alle eine Überraschung.

Hirnzellen überfordert

Schuld an der Sehstörung, die auch zu Erbrechen, Schwindelkeit und irrem Lachen führt, sind Artikel im Stile von Buzzfeed, die seit neustem durch die Schweizer Onlinewelt geistern. Dabei werden nichtssagende Ranglisten erstellt, die mit GIF-Dateien angereichert werden. «Diese Artikel bieten die gefährliche Mischung aus Dummheit und Reizüberflutung», sagt Michelini.

«Selbst ohne ruckelige GIF-Bildchen sind die Ranglisten eine Qual. Nehmen wir diesen Blick-Artikel zum Thema Gemüse.  Darin werden dem Leser die 10 dümmsten Gemüsesorten der Welt vorgestellt. Bei Romanesco steht: Schmeckt nach Wasser und sieht aus wie eine Geschlechtskrankheit. Sätze wie dieser beweisen dem Leser, dass nicht nur die beschriebenen Gemüsesorten unfassbar doof sind», so Michelini.

chrissy

«Wer macht den sowas?» Geschockte Leserin

«Noch gefährlicher sind  diese vier Beispiele von 20Minuten . Hier wird eine dumme Idee (11 Gründe warum Justin Bieber angsteinflössend ist) mit nichtssagenden GIFs ergänzt. Diese geballte Ladung Schwachsinn überfordert die Hirnzellen und beschädigt die Sehnerven», ist Michelini überzeugt.

Planlose Redaktionen

Die Idee sei so einfach wie gefährlich, warnt Hochschuldozent Daniel Terpin. «Auf den Redaktionen geht zur Zeit viel Wissen verloren. Gestandene Redakteure wechseln in die Kommunikation, weil es dort mehr zu verdienen gibt oder sie schliessen sich dem Onlineportal von Hansi Voigt an. Zurück bleiben Jungredakteure und Praktikanten, die nun plötzlich Content liefern müssen. Dabei haben die Schnösel doch keine Ahnung vom Journalismus.»

WHAT

Fragen wir uns auch.

Terpin macht sich Sorgen über die Zukunft des Schweizer Journalismus. «Vor lauter Planlosigkeit wird nun kräftig von den Amerikanern abgeschrieben», stellt der Dozent fest. Die Rechnung gehe langfristig aber nicht auf. «Buzzfeed hat so viel mit Journalismus zu tun wie ‚Der Bachelor‘ mit wahrer Liebe.»

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Die Eule hat hier eigentlich nichts zu suchen. Das GIF befand sich jedoch im Archiv und wird nun hier verwurstet.

Auch Buzz Orgler, Chefredaktor des Enthüllers, kann sich nur schwer für den neuen Trend begeistern. «Dass hinter meinen Namen ohne mich zu fragen ein ‚Feed‘ gehängt wurde ist einfach nur OMG und WTF! GIFs machen einen beschissenen Artikel nicht besser, nur länger und hipper für die junge Leserschaft. Sie sind ein Stilmittel, das wir beim Enthüller niemals einsetzen werden. Ausser wir sind völlig verzweifelt und wissen nicht, womit wir die Seite sonst füllen sollen!»

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Dieser Hund war George Clooneys Stuntdouble in Gravity.

Text: Pavel Kulicka, Buzz Orgler, Vorschaubild: Focus Clinics, GIFs: who gives a shit?

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3 Kommentare auf "20 Minuten schuld an neuer Augenkrankheit"

  1. […] Das neue Schweizer Satireportal “Der Enthüller” macht “20 Minuten” für eine neue Augenkrankheit verantwortlich, da die Hirnzellen mit den zahlreichen GIFs überfordert seien. Klick zum Artikel. […]

  2. […] Qualitäts-Vorreiter 20 Minuten (deren Logo ich ja hier nicht zeigen darf) auf den Zug auf und haut uns die denkbar sinnfreisten Listen um die Ohren. Und da aber doch irgendwie alle diese vielen […]

  3. Köstlich. Einfach nur köstlich. Dabei kenne ich 20min.ch nicht besonders gut.

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